Zeit, in die Gegenwart Gottes zu kommen

Gott ist da. Unruhe und Enttäuschung über den eigenen Weg mit Gott, über die eigenen Erfahrungen in der Nachfolge Jesu haben in dieser Betrachtung ihren Platz. Ich komme in diesem Text an, wenn ich mich auf die Sprache des angefochtenen Menschen einlasse, der sein Leben als unnütz erlebt. Dahinein wird Gott reden, das Herz weit machen und einen lichtvollen Horizont eröffnen.

Zeit des Schauens

Vor uns erscheint jemand, der seine Erfahrung mit Gott reflektiert. Es scheint ein einsames Gespräch eines Menschen zu sein, der über die Perspektiven seines Lebens enttäuscht ist. Gott mag er seine Situation nicht vorwerfen; denn der hat bereits eine lange Geschichte mit ihm (Vers 1). So wählt sich der Beter die fernen Menschen aus, deren offenes Ohr er mit seiner Rede erreichen will.

Hin und her gerissen ist er zwischen dem, was er sich für sein Leben erhofft hat und dem, was er gegenwärtig konkret erlebt. Er erinnert sich an seine Berufung, die bereits in die Zeit vor seiner Geburt zurückreicht. So sieht er Gott schon in seinem Leben am Werk, ehe er das Licht der Welt erblickte. Gott hat ihn gut gehütet und umsorgt. Dafür findet er Bilder, die ihm aus seinem alltäglichen Leben vertraut sind: sein Leben gleicht einem gut gelungenen Pfeil, dessen Spitze in einem Köcher sicher verwahrt wird. Nach außen ist nicht sichtbar, was im Schaft des Köchers verborgen ist, während der Besitzer sehr wohl weiß, worauf er sich für den besonderen Moment verlassen kann. Über Monate oder Jahre kann der Pfeil so verwahrt und gehütet bleiben, wodurch sein Wert sich nicht mindert. Doch im entscheidenden Moment kann sein Einsatz Leben retten und in der Wildnis Gefahr abwenden. Ebenso empfindet der Erzähler die Redekraft seines Mundes, die er nicht zum Einsatz bringen kann – die Hand Gottes verdeckt seinen Mund.

In diesen Bildern ist bereits die Spannung eines Lebens angelegt, das auf den großen Moment seines entscheidenden Einsatzes wartet. Dann allerdings soll es sich nicht im alltäglichen Gemenge verlieren. Es soll aus dem Schatten seiner unmittelbaren Nachbarschaft heraustreten und Leuchtkraft entfalten. Diese Leuchtkraft traut Gott ihm weit über den bekannten Raum hinaus zu. Das Leben des Beters soll seine Kraft gerade unter den Menschen entfalten, denen er sein undankbares Schicksal klagt. Gerade für diese Menschen wird sein Leben heilsam sein.

Schließlich betrachten wir, wie der Beter über dieser Perspektive zur Ruhe kommt (Vers 5), weil er sich in seinem eigenen Gebet von Gott unterbrechen lässt, der ihm den Horizont für die Berufung seines Lebens weitet.

Zeit des Verstehens

Es kann zermürbend sein, mit der Erfahrung zu leben, dass das eigene Leben trotz einer großen Berufung unnütz verläuft. Eine ausreichende Qualifikation ist vorhanden, Aufgaben gibt es genug zu lösen, Motivation zu einem herausfordernden Einsatz ist vorhanden, aber das Leben erscheint vergeblich. Dies Empfinden ist nicht neuzeitlich, sondern seit biblischen Zeiten bekannt und hier angesprochen. Der Knecht Gottes (Jesaja 49,5) gibt Hinweise, wie diese Enttäuschung über sein eigenes Leben von Gott überwunden wurde. Er lässt sich weiterhin von Gott ansprechen, er erkennt die Wertschätzung, die Gott ihm schenkt und sieht dabei, wie sich Gottes Heil in die Welt entfaltet. Dabei ist der Blick in die Welt nicht eine Flucht vor den Aufgaben, die vor seiner eigenen Haustür warten. Mit dem, was er zunächst erledigt, unter den Menschen in Israel (Jesaja 49,5), geht er den Schritt, der ihn seiner ursprünglichen Berufung näherbringt. Dabei erlebt er, wie Gott sich um ihn kümmert, weil er mit ihm zusammen sein Heil in der Welt ausbreiten will und sogar einen weiteren Horizont in Aussicht stellt als Jesaja zunächst vermuten konnte (bis zu den Heiden).

Zeit des Herzens

Wie gehe ich mit meinen geistlichen Enttäuschungen um? An welcher Stelle habe ich erlebt, dass Gott mir in einer Situation, als mir mein Leben unwichtig und nebensächlich erschien, einen weiten Horizont eröffnet hat? Wo mir die Erfahrung fehlt, dass Gott in meiner Enttäuschung über meinen geistlichen Weg mit mir spricht, bitte ich ihn um ein Wort an mich, damit aus meiner Berufungssackgasse wieder ein Sendungsweg werden kann.

Burkhard Peter

Als PDF herunterladen

Anstehende Veranstaltungen