Foto: Dita Flake

Loslassen

Die Geschichte macht uns den Einstieg in die Betrachtung leicht. Wir steigen mit Jesus und den Jüngern in das Boot, fahren über den See Tiberias. Das Vergangene, aus dem ich komme, bleibt am anderen Ufer des Sees zurück. Während der Überfahrt wird der Abstand immer größer, Konturen verschwimmen. Alles Vergangene versinkt allmählich ins Bedeutungslose.

Danach besteigen wir gemeinsam einen Berg. Als der Gipfel erreicht ist, bin ich mit Jesus und den Jüngern zunächst allein.

Ich darf ankommen, an diesem Ort sein, ganz bei mir. Jesus lädt mich ein in seine Gegenwart.

Zeit des Schauens

Das Bild in dieser Geschichte ist ein Wunderbild. Das fordert uns heraus: jetzt geht es nicht um verstehen oder nachvollziehen. Es geht ums Schauen. Mir hilft der Gedanke, dass der Evangelist Johannes eben auch Künstler ist. Er malt hier mit Worten ein Bild von Jesus und dem, was er tut.

Und dieser Jesus sieht viele Menschen kommen. Sie nähern sich aus mehreren Richtungen, strömen heran. Oben, vom Berg herab, hat er einen guten Überblick. Wer kommt da alles? Ich sehe mich um.
Mit der Zahl der Menschen steigt auch die Sorge der Jünger. Wird es reichen? Der Platz, das Essen, die Zeit…? Unruhe macht sich breit, sie erfasst auch die Jünger.

Und Philippus? An ihm wird das besonders deutlich, wie die Sorge um das leibliche Wohl in den Vordergrund tritt. Ich denke nicht, dass Jesus hier einen Jünger bloßstellen will. Mehr tappt Philippus bereitwillig in die Falle, wie auch wir so oft in die Fallen tappen, die uns das Leben stellt. Wir stellen ihn uns vor.

Dann werden wir Zeugen des Wunders: Das Brot reicht!

Dabei können wir bleiben, bei dem Geräusch brechenden Brotes, dem Geruch, dem Geschmack, den Gesten. Es reicht für alle. Es ist über-reichlich.

Zeit des Denkens

1. Da kann man sich nur wundern

Die Angst sagt: Es ist nicht genug! Das reicht niemals!

Jesus knüpft hier an das Gefühl der Menschen an, es könnte nicht genug zu essen geben. Menschen müssen essen, um zu überleben und bei Kräften zu bleiben. Aber die Menschen kommen ja nicht zum Essen an den See Tiberias. Sie kommen wegen Jesus.

In den vorausgehenden Textabschnitten hat er Menschen geheilt, ganz andere Not gewendet. Hier geschieht nun ein weiteres „Wunder“ – sorgfältig ist es in Szene gesetzt.

Ein Kind hat vergleichsweise viel Essen dabei. Aus diesen 5 vorhandenen Broten wird genug für 5000 Menschen! Vorher wird der Wert errechnet – wahrscheinlich geht es hier um ein Jahreseinkommen. Diese Geschichte soll den Menschen helfen, Jesus als Sohn Gottes zu erkennen. In dem „Wunder“, das er tut, zeigt sich die Kraft seines Vaters. Nicht Menschenkraft – Gottes Kraft ist am Werk.

Jesus setzt Zeichen: Ich bin einer von euch – und doch Sohn des Höchsten.

Zum Weiterdenken: Wo in meinem Leben gibt es solche alltäglichen Ängste und Fragen?

Und wo geschehen Dinge, die mich dazu bringen, dass ich mich „wundere“?

2. Die Angst nicht zu genügen

Die Frage nach dem, ob es genug ist, leitet über zu der Frage, ob ich selbst genüge. Jesus lädt hier sehr viele Menschen ein. Alle sind bedingungslos willkommen. Alle dürfen sich lagern, werden versorgt.
Doch Philippus? Er sorgt sich so sehr. Er tappt besonders deutlich in die Falle. Aber ist er jetzt fern von Jesus? Er hat nicht brilliert. Es würde auch nicht extra zu lesen sein, wie toll alles organisiert wird. Besondere Aufmerksamkeit bekommt immer das, was hakt, was nicht klappt.

Wird er weniger geliebt? Nein, auch Philippus darf als Jünger auch einfach Mensch sein. Jesus sorgt für alle gleich, niemand muss genügen, aber manchmal gibt es etwas zu lernen.

Zum Weiterdenken: Traue ich Jesus einen liebevollen Lehrer-Blick zu, wenn ich gerade mal wieder in die Falle getappt bin?

Bei Jesus geht es nicht um das Genügen, sondern darum, geliebt zu werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als alle anderen Menschen auch. Er selbst ist ein Zeichen der Liebe seines Vaters für die Menschen.

Ich setze mich am Ende der Betrachtung nochmals für eine Weile zu Jesus ins Gras und lasse seinen liebenden Blick auf mir ruhen.

Claudia Rohde-Hempel

Als PDF herunterladen

Anstehende Veranstaltungen