Hinführung

Dieser Sonntag steht unter dem Thema Vergebung. Das Evangelium und die Epistel könnte man in einem Satz so zusammenfassen: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ … denn … „wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden“ (Lk 6,36 und Röm 14,10b).

Ankommen in Gottes Gegenwart

Ich öffne mein Herz für die vergebende Liebe Gottes, die mir in der Geschichte von der Ehebrecherin entgegenkommt. Gott hat auch mir vergeben. Das lasse ich auf mich wirken.

Ich lasse Gott in mein Herz schauen: Wo oder bei wem fällt es mir schwer, zu vergeben?

Zeit des Schauens

Wie jeden Tag lehrt Jesus auch heute wieder in der Vollmacht Gottes im Tempel. Ruhig und souverän tritt er auf, und das in einer Situation, die aufs Äußerste gespannt ist. Anhänger und Gegner Jesu geben sich Wortgefechte: „Noch nie hat ein Mensch so geredet wie dieser“ (Joh 7,46) – so die Einen. „Nur wir kennen das Gesetz“ (Joh 7,49) – so die Anderen, die Pharisäer und Oberen.

Da wird eine Frau hereingezerrt, in die Mitte des Geschehens gestellt, dabei geht es gar nicht um sie. Die Frau wird zu einem Mittel, um Jesus in eine Falle laufen zu lassen. Die Pharisäer und Schriftgelehrten bedrängen Jesus, Stellung zum mosaischen Gesetz zu beziehen, um ihn dann verklagen zu können. Sein Umgang mit den Sündern und Sünderinnen ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge.

Jesus tut etwas ganz Erstaunliches: Er nimmt nicht einfach die Frau in Schutz, sondern er radikalisiert das Gesetz und lässt dann seine Gegner selbst urteilen: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Denn Jesus geht es jetzt auch um die Verkläger. Er will ihnen Gottes liebendes Erbarmen verstehbar machen und sie vor Unrecht bewahren. Was mag in diesen Männern jetzt vorgehen? Durch sein Schreiben in den Sand zieht Jesus sich aus der Situation zurück. Nun kann nur noch dieses Wort wirken, hoffentlich Selbsterkenntnis bewirken! Das Wunder geschieht: Einer nach dem anderen geht weg; die Ältesten (die Weisesten?) zuerst. Hat Jesus sie für dieses Mal tatsächlich innerlich erreicht?

Er ist nun mit der Frau allein, wendet sich ihr freundlich zu. Sie ist Person, nicht Mittel. Auch sie wird von Jesus einbezogen, zu verstehen, was hier eben geschehen ist. Wie mag sie all das aufgenommen haben, während sie gleichzeitig in Todesängsten war? Jesus, der allein ohne Sünde ist, spricht sie frei. Er gibt ihr ihre Würde zurück, er ermöglicht ihr neues Leben.

Hier halten wir einmal inne und lassen eine ganze Weile auf uns wirken, dass Jesus uns so vergibt wie dieser Frau. Was löst das in uns aus?

Zeit des Verstehens

1. Leben aus der Vergebung

Als ich diese Geschichte vor vielen Jahren einmal in einer Kindergruppe erzählte, sie mittendrin unterbrach, um zu fragen, „Wie könnte Jesus wohl reagiert haben?“, sagte ein 8-jähriger Junge zu meiner Verblüffung spontan: „Er hätte sich für die Frau steinigen lassen können.“

Die Antwort dieses an sich sehr schlichten, aus schwierigen, fast asozialen Familienverhältnissen kommenden Jungen hatte mich sehr angerührt, ist sie doch zutiefst wahr: Jesus hat sein Leben für diese Frau gegeben.

Es geht Jesus also nicht darum, dass Sünder keine Strafe verdient hätten, weil doch alle Menschen Sünder sind. Sondern er will zeigen, dass nur auf der Grundlage der Vergebung neues Leben möglich ist. Um dieses neue Leben geht es Jesus. Leben, das die Ewigkeit eröffnet. Deshalb spricht er die Frau frei.

Ich versuche zu verstehen, warum das so ist. Wie erlebe ich das, wenn jemand, den oder die ich sehr verletzt haben, auf mich zukommt und mir vergibt? Oder wenn umgekehrt ich vergeben kann? Was verändert sich dann jeweils bei mir und in der Beziehung zu dem anderen?

Nun geht es dabei zusätzlich um eine viel tiefere Dimension als um die rein zwischenmenschliche. Alles Schuldigwerden aneinander hat es immer auch mit Gott zu tun. Meine Beziehung zu Gott ist dadurch gestört, ist verletzt worden. So wie ich auf die Vergebung durch die anderen angewiesen bin, so bin ich auch darauf angewiesen, dass Gott mir vergibt, und meine Beziehung zu ihm wieder hergestellt ist.

2. Vergeben können ist Geschenk

Diese Erfahrung der immer wieder vergebenden Liebe Gottes müsste mich eigentlich so überwältigen, dass auch ich gegenüber anderen barmherzig bin. Und dennoch kann ich es nicht lassen, die Fehler der anderen deutlicher zu sehen als meine eigenen. Das Vergeben fällt mir schwer. Warum ist das so? Ist es mein Stolz? Sind es meine Verletzungen? Gibt es da einen Weg heraus? Ich merke, Vergebung kann ich nicht „machen“. Ich bin darauf angewiesen, dass Gott mein Herz verändert. Will ich das an mir geschehen lassen?

Zeit des Herzens

Ich stelle mir die Güte Gottes vor Augen, lasse mein Herz davon ergreifen. Unter diesem Eindruck denke ich über meine Beziehungen zu den verschiedenen Menschen neu nach. Auf wen möchte ich neu und anders zugehen?

Gerlinde Breithaupt

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