Foto: Traudl Priller

Zeit, in die Gegenwart Gottes zu kommen

Der Sonntag Exaudi markiert eine Zwischenzeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Für die Jünger bedeutete das: Sie konnten Jesus nicht mehr leibhaftig neben sich sehen und spüren, aber der verheißene Geist war noch nicht da. Dadurch entsteht Unsicherheit: Was wird jetzt aus uns? Was sollen wir tun? Können wir uns darauf verlassen, dass der zugesagte Tröster wirklich kommt?

Wir haben es nicht in der Hand, was in der stillen Zeit passiert, ob und wie Gott durch sein Wort zu mir sprechen wird. Begegnet mir ein Wort, das mich anrührt? Spüre ich, dass Gott mir nahe kommt? Wird mir etwas von Jesus deutlich? Dafür gibt es keine Garantie. Aber eine Verheißung.

Mit dieser Sehnsucht lese ich den Text. Mit der Zusage in den Versen 26 und 27 halte ich Gott mein Herz hin: Ich brauche nicht viele Worte zu machen. Ich bin einfach da. Und Gott auch. Der Rest wird sich finden.

Zeit des Schauens

Gott hat ein Bild vor Augen, wie unsere Beziehung aussehen soll (V. 29): Wir sind untrennbar miteinander verbunden („dass sie ihm gehören sollen“).

Diese enge Verbindung verändert mich: Sie macht es mir möglich, zu der Person zu werden, an die Gott von Anfang an gedacht hat. Eine Person, die das ganze Potenzial der Menschlichkeit entfaltet, das Gott in die Menschen hinein gelegt hat (vgl. 1. Mose 1, 27: „So schuf Gott den Menschen als sein Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er ihn.“).

Wie kann das konkret aussehen? Der Text formuliert das so: „dass sie seinem Sohn gleich sind“. Er stellt mir also Jesus vor Augen, in dessen Gestalt Gott Mensch geworden ist. Die Evangelien verdeutlichen, wie sich das auswirkt:

Jesus wendet sich Menschen zu, lässt sich von ihnen anrühren und ermöglicht dadurch Heilung. Er stiftet Gemeinschaft, er fördert das, was dem Leben dient. Die Kraft dazu gewinnt er aus der engen Beziehung zum Vater, von der er nicht müde wird zu erzählen. Und er erinnert daran, dass auch ich seit der Schöpfung eng mit Gott verbunden bin und dass ich diese Verbindung durch das Gespräch mit Gott spüren kann. Kurz: Jesus schürt die Sehnsucht nach einem Leben, wie es von Gott her gemeint ist.

Zeit des Verstehens

Wie passiert das, dass ich zu der Person werden kann, an die Gott von Anfang an gedacht hat? In der Fassung der Neuen Genfer Übersetzung findet sich dazu ein Hinweis: „…dass ihr ganzes Wesen so umgestaltet wird, dass sie seinem Sohn gleich sind“.

Es ist also etwas, das an mir geschieht – nicht etwas, dass ich mit viel Aktion erzwingen könnte. Und: Es ist kein Zaubertrick, keine Verwandlung, keine Metamorphose auf ein Fingerschnipsen hin. Es geht nicht um einen Determinismus, der nur eine einzige Option für mein Leben offen lässt. Sondern um einen Prozess, auf den ich mich einlasse und aus dem ich dann verändert hervorgehe.

Vielleicht kann man sich das so ähnlich vorstellen wie die Veränderungen, die Menschen an sich erfahren, wenn sie sich mit ihrem ganzen Wesen auf Beziehungen zu anderen einlassen: sei es zu einem Kind, einem Partner oder einer Partnerin, einem Freund oder einer Freundin oder in einer Gemeinschaft. Damit das gelingt, braucht es viel Kommunikation, miteinander verbrachte Zeit und Reflektion über das, was da eigentlich passiert.

In diesem Prozess selbst, in der Zwischenzeit von „nicht mehr“ und „noch nicht“, sind die Schritte der Veränderung vielleicht überhaupt nicht sichtbar, genau weil sie so klein sind. Wenn ich aber darauf zurückblicke, wird der Unterschied von Vorher und Nachher deutlich.

Zeit des Herzens

„Dem Bild des Sohnes gleich werden“: Welche Gefühle werden in mir wach, wenn ich mir das vorstelle? Entdecke ich vielleicht eine Sehnsucht in mir herauszufinden, welches Potenzial der Menschlichkeit Gott in mich hinein gelegt hat und wie ich wieder mit Gott ins Gespräch kommen kann? Was hilft mir, dieser Sehnsucht in mir mehr Raum zu geben?

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