Ankommen in Gottes Gegenwart

Oculi: Meine Augen sehen stets auf den Herrn (Psalm 25,15). Dieser Wochenspruch für die beginnende Woche führt mich in die Gegenwart Gottes. Ich schaue ihn an, er schaut mich an. Liebevoll, voller Verstehen, wissend, wie es mir im Innersten geht, schaut Er mich an. Ich lasse es geschehen.

Zeit des Schauens

Ich betrachte den Propheten Elia, der aus großen Höhen abgestürzt ist in eine Sinnkrise, bis ihm Gott behutsam begegnet und ihn zurückholt in die Gemeinschaft mit ihm. Elia hatte dem Volk bewiesen, dass der Gott Israels allein Gott ist und Baal ein Nichts. Er tat dies in einer Weise, die die Frau des Königs Ahab zutiefst gedemütigt und beleidigt haben muss. Sie sinnt auf Rache.

Was geht nun in Elia vor? Wie viel traut er seinem Gott jetzt zu? Die Nachricht, um sein Leben gebracht zu werden, macht aus dem sieghaften Elia einen Menschen voller Angst. Er läuft und läuft, bis er erschöpft irgendwo in der Wüste Halt macht. Er kann nicht mehr, er will nicht mehr. Schuldgedanken kommen in ihm hoch. Sterben scheint der einzige Ausweg zu sein.

Gott sieht ihn die ganze Zeit. Er geht seinen Weg durch Erfolge und Übermut, durch Versagen und Flucht mit ihm mit. Er sendet einen Engel (vielleicht ist es ein vorüberziehender Hirte), der Elia mit dem Nötigsten versorgt. „Steh auf und iss“ – diese Worte machen ihn wach; er isst und trinkt und fällt zurück in seinen Erschöpfungsschlaf. „Du hast einen weiten Weg vor dir.“ Gott hat noch etwas mit ihm vor. So soll sein Leben nicht enden. Ob Elia spürt, dass es Gott ist, der ihn ruft? Hat er Mut geschöpft? Jedenfalls tut er das, was ihm gesagt wird. Er fühlt neue Kräfte in sich. Wieder läuft und läuft er, aber anders.

Der Berg, auf dem einst Gott mit Mose geredet hat, ist das Ziel. Wieder spricht Gott Elia an. Seine Frage mündet in ein Zwiegespräch. Aus Elia bricht nun seine ganze Herzenslast heraus: sein Stolz, seine Empörung, seine Verzweiflung, seine Einsamkeit. Er versteht das alles nicht: Wo ist jetzt der gewaltige Gott, den er verkündet, ja, bewiesen hat? Warum hat er ihn nicht vor Isebel geschützt? Schließlich hat er doch alles für Gott getan… Das ist seine feste Überzeugung.

„Wo suchst du mich, Elia?“ Vielleicht ist es eine solche oder ähnliche Frage, die Gott ihm stellt, als er ihm mit den Naturgewalten zeigt, wo er nicht zu finden ist. Und Elia versteht, dass er Gott im Leisen findet, in der „hörbaren“ Stille.

Zeit des Verstehens

Gott sieht, was Elia braucht und gibt es ihm: Essen, Trinken, Schlafen, – die Grundbedürfnisse stillt er zuerst. Er schenkt ihm darüber hinaus genug Kräfte, sodass er wieder neu aufbrechen kann. Er führt ihn dem Ziel entgegen, die Beziehung zu Gott selbst zu erneuern: wieder mit Ihm über die eigenen Nöte ins Gespräch kommen zu können und zu hören, was Gott ihm dazu sagen will.

Elia lernt dabei, dass Gott sich nicht nur in seinen Wundern offenbart (wie auf dem Berg Karmel in Kapitel 18), sondern gerade auch dann, wenn ein Mensch versagt, in den Durststrecken menschlichen Lebens.

Ängste können einen Menschen lähmen und seine Wahrnehmung einschränken. Elia kann nicht mehr sehen, dass Gott größer ist als das, was ihm Angst macht. Aber wie wunderbar ist es doch, dass Gott ihn die ganze Zeit über im Blick behält und überlegt, wie er ihn wieder erreichen kann.

Auch meine Augen sind nicht immer auf den Herrn gerichtet. Dann kann es sein, dass ich bei Herausforderungen und Schwierigkeiten allen Erfolg auf mich beziehe und dabei Gott vergesse, ohne es zu merken. Oder dass ich mich so von meinen Ängsten vereinnahmen lasse, dass ich von Gott nichts mehr erwarte.

Zeit des Herzens

Wo berührt mich die Elia-Geschichte am meisten?

Ich stelle mir vor, wie Gott auch mein Leben ansieht. Was sieht er gerade? Mehr Freude oder mehr Traurigkeit? Mut oder ein Herz voller Furcht? Stärke oder ohnmächtiges sich Bedrängt-fühlen? Ausgeglichenheit oder Unzufriedenheit? Dankbarkeit oder Enttäuschung? Hoffnung oder Resignation? Bescheidenheit oder Selbstzufriedenheit und Sattheit? Vielleicht Flucht in die Innerlichkeit, wenn ich einer Sache aus dem Wege gehen will, oder gar Flucht vor mir selbst? … Wie geht es mir gerade? Und was brauche ich?

Gott sagt: „Meine Augen sehen dich voller Liebe an. Ich will es mit deinem ganzen Leben zu tun haben. Du kannst mit allen inneren Regungen zu mir kommen. Mit allem, was dir Sorgen macht, mit allem, was dich stolz macht, und mit all deinen Fragen, die dich bewegen.“

Gott stillt meine Grundbedürfnisse, er ruft mich, er fordert mich heraus, hilft mir, mit Seinen Augen mein Leben anzuschauen. Er lehrt mich, Ihn in der Stille zu suchen und zu finden.

Er lädt mich ein, jetzt das Zwiegespräch mit ihm zu suchen. Mich jetzt von ihm mit neuem Zutrauen in seine konkrete Hilfe beschenken zu lassen.

Gerlinde Breithaupt, Pfarrerin im Ruhestand, Halle/S

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