Zeit, in die Gegenwart Gottes zu kommen

Bevor ich den Text lese, kann ich eine Kerze anzünden und beobachten, was davon beleuchtet wird. Ich mache ich mir bewusst, dass Gott mich kennt. „Herr, du hast mich erforscht und kennst mich ganz genau.“ (Psalm 139,1) Die Situationen, in denen ich mich von anderen unverstanden und ungerecht beurteilt werde, kann ich vor Gott bringen. Ich freue mich darüber, dass Gott auch die geheimsten Seiten von mir kennt, die andere (noch) nicht entdeckt haben, und dabei zu mir hält.

Zeit des Schauens

Im Kindermuseum in Hamburg gibt es einen „Tast-Tunnel“, durch den man in völliger Dunkelheit hindurchgeht, um dem Tasten und Fühlen mal den Vorzug vor dem Sehen zu geben. Mit etwas Überwindung lasse ich mich auf diese ungewohnte Erfahrung ein nehme ich vieles wahr, was mich überrascht und ich nicht gleich zuordnen kann.
Wenn ich den Vorhang am Ende ein wenig zur Seite schiebe und Licht in das Dunkel lasse, fällt mein Blick auf die harmlosen Gegenstände, die mein Herz höher schlagen ließen und mir unbekannt vorkamen. Jetzt sehe ich den Grund für meine Empfindungen, bin beruhigt und bemerke, dass ich manches falsch eingeschätzt hatte. Das kann ein Bild für V.4 sein, in dem es heißt „er wird auch, was im Dunkeln verborgen ist, ans Licht bringen…“

Die Situation von Paulus

Vielleicht erging es Paulus ähnlich, als er selber offen gegenüber den Gemeindemitgliedern in Korinth war und von seiner Herkunft, Bekehrung, Reisen, Freundschaften und Konflikten erzählt hat. Die Menschen in Korinth haben davon aber nur ein ungefähres Bild der Person Paulus erhalten, und vieles blieb für sie dazu unverständlich. Womöglich haben sie auch mehr oder etwas anderes von ihm erwartet, als was er als seine Aufgabe verstand, nämlich Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes (V. 1) zu sein. Die Korinther haben ihn als Person und seine Taten beurteilt. Paulus legte aber keinen Wert darauf, nicht mal er selbst beurteilte sich. Auch der Zeitpunkt sei nicht der richtige. Wer über Paulus urteilt, ist allein der Herr (V. 4). Er wird das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen.

Zeit des Verstehens

1. Im Matthäusevangelium gibt es eine Parallelstelle in 7,1ff zum Thema „Richten“. Wie viele ethische Forderungen, die Jesus in der Bergpredigt anspricht, wirkt die Bitte „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ als ein hoher Anspruch, der sich nicht immer durchhalten lässt. Ich denke an mein Umfeld und meine Lebensbezüge, seien es Nachbarn, Freunde, Kontakte in der Nachbarschaft oder in sozialen Medien, oder das berufliche Umfeld.
Ich male mir aus, wie das „Nicht-Richten“ ein verlockender Lebensstil wird, in dem Großzügigkeit und Gutmütigkeit herrschen ohne naiv zu wirken.i
Frage: Was wäre dann anders, wenn ich auf das Richten und Beurteilen anderer verzichte und mich selbst vom Urteil anderer unabhängig mache?

2. Wenn ich den Bibeltext zu Ende lese, nimmt er eine überraschende Wendung: „Und dann wird einem jeden sein Lob zuteil werden von Gott.“(V. 5) Für mich hat beurteilen und richten oft einen negativen Beigeschmack, da Gerichtsverfahren mit Verurteilungen spektakulärer sind als Freisprüche und eine gewisse Schadenfreude mitschwingt. Hier geht es jedoch darum, die verborgene Wahrheit aufzuspüren und die Dinge hervorzuheben, die im Leben gelungen sind.ii Darauf kann ich mich freuen.

Zeit des Herzens

Ich bitte im Gebet Gott um Vergebung für Situationen, in denen ich andere (vor-)verurteilt habe. Ich versuche eine Situation oder einen Menschen mit anderen Augen zu sehen in der Gewissheit, dass Gott diese Person(en) ebenso wie mich kennt und liebt.

Zum Abschluss kann ich Psalm 139,1-16 lesen.

Britta Kühn ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie ist Mitglied der Geschwisterschaft Koinonia. Als Studienrätin für die Fächer Mathematik, Religion und Englisch arbeitet sie in Teilzeit an einer Reformschule in Hamburg. In der Friedenskirche Jenfeld engagiert sie sich ehrenamtlich beim Kindergottesdienst und in einem Hauskreis.

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