Zeit, in die Gegenwart Gottes zu kommen

Der Bibeltext nimmt einen Kern des Weihnachtsgeschehens als eine Bitte an Gott auf: Komm herab aus dem Himmel und hilf uns“. Im Evangelischen Gesangbuch ist als Nr. 7 (Gotteslob Nr. 105) ist er in dem schönen Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ vertont. Vielleicht hilft es, das Lied (mehrmals) für sich zu singen oder den Text langsam zu lesen.
Zeit des Schauens

Das Volk Israel erinnert sich noch gut an bedrängte Zeiten: Die Bündnispolitik seiner Herrscher war nicht erfolgreich gewesen. Erst hatten die Assyrer Israel belagert und später die Babylonier Jerusalem zerstört. Die Propheten Israels zogen immer die Verbindung zwischen den politischen Ereignissen und der Wankelmütigkeit des Volkes seinem Gott gegenüber (V17: „abirren“, „verstocktes Herz“). Die Stadt ist nun wieder aufgebaut, aber der Schrecken aus dieser Zeit sitzt tief (63, 18-19). Auch in der der Zeit, in der Jesaja schreibt, liegt manches im Argen: Für die Menschen ist der Gott Israels nicht mehr ihr Ein und Alles, Gottesdienste sind unbedeutend geworden, Gottes Gebote leuchten nicht mehr ein. Braut sich wieder etwas zusammen?

In unserem Abschnitt erinnert der Prophet Gott an sich selbst, an seine Taten, an seine Liebe zu seinem Volk, an sein Versprechen. An einen großen Lobpreis Gottes drängt sich eine große Bitte: „Gott, schau doch vom Himmel herab“ (V15) oder besser noch: „Zerreiße die Himmelsfeste, hebe die Trennung auf, komm herab (V.19b) und hilf uns. Beende die Uneindeutigkeiten.“

Der Prophet weiß: Wir, das Volk Gottes, haben selbst zu unserem Schicksal beigetragen, es kommt nicht aus heiterem Himmel. Trotzdem rechnet er mit Gottes liebevollem Blick. Er erwartet, dass Gott herbeieilt, um zu helfen – voller Kraft und Macht, die sogar die Berge zerfließen lassen kann

Was sieht Gott, wenn er durch einen Wolkenspalt auf uns und unsere Welt herabschaut? Welche Situationen sieht er? Wie sieht er mich an?

Zeit des Verstehens

Es gleicht einem Weltumsturz, was Jesaja von Gott erbittet – den Himmel zerreißen und herabkommen. Die Himmelsfeste, das Firmament war in der gesamten orientalischen Welt eine absolute Trennung des irdischen und des göttlichen Bereichs. An ihr „hingen“ die Sterne und an Dinge wie Raumfahrt und andere Galaxien war nicht im Entferntesten zu denken. Die Veränderung dieser Unumstößlichkeiten („den Himmel zerreißen“) war ein Kraftakt und wohl auch unumkehrbar.

Der Prophet wendet sich kühn direkt an Gott mit seiner Bitte. Es ist, als ob Gott diese Ermutigung braucht, um diese besondere Hilfsaktion mit voller Kraft zu starten. Und er weiß, dass Gott mit seiner Hilfe vielleicht etwas ganz anderes tut, als er erwartet (64,2).

Es gibt Probleme und sogar Krisen im Leben – im Großen wie im Kleinen, im Landes- oder Weltmaßstab wie in meinem persönlichen Umfeld – die unlösbar sind. Alles hängt an allem, die Hoffnung auf grundlegende Besserung scheint zu erlöschen. Das lähmt unsere Handlungsfähigkeit, wir haben keine Ideen mehr, und Gott scheint mit all dem nichts zu tun zu haben. Was sind diese Situationen jetzt? Woran liegt es, dass sie ausweglos erscheinen? Was hängt daran?

Propheten sind Menschen, die in solchen Situationen auf Gott hinweisen. Der 3. Jesaja, der Autor unseres Textes, ruft ihn herbei. Es soll alles anders– und weil Gott es mit uns gut meint und am Werk ist – alles besser werden. Wo sehne ich mich nach Besserung? Erlaube ich dieser Sehnsucht (unvernünftig) groß zu werden?

Zeit des Herzens

Der Text ermutigt uns, in der Adventszeit nicht bei Gemütlichkeit und erwarteten Christbaumfreuden stehen zu bleiben (so schön Adventsnachmittage und die Weihnachtsfeiertage auch sind!). Hier geht es um das Umstürzen von unumstößlichen Gegebenheiten.

Worum möchte ich Gott bitten? Das Prophetenwort lehrt uns, dass wir nicht bescheiden sein müssen.

Wo packe ich selbst mit an? Vielleicht sind die Erfolgsaussichten nicht überragend oder das Ganze ein Kraftakt. Macht das etwas? Wo lohnt sich mein Einsatz trotzdem?

Ulrike Wandtke

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