Ankommen in Gottes Gegenwart

Es gibt Dinge, unter denen wir leiden – in unserem persönlichen Leben und in dieser Welt überhaupt. Der drittletzte Sonntag im Kirchenjahr nimmt unsere Traurigkeit über die Vergänglichkeit und Kürze menschlicher Lebenszeit auf. Wir neigen dazu, eine Veränderung ganz konkret von Gott zu wünschen. Was ist das bei mir?

Ich nehme mir Zeit, solche Wünsche zu erkennen und loszulassen, um mich auf die Begegnung mit Christus selbst und auf das, was er mir schenken will, ganz einlassen zu können. Das Evangelium stellt dem Betrachtenden vor Augen, dass das Reich Gottes bereits jetzt da ist – in der Begegnung mit Jesus.

Zeit des Schauens

Den Gesprächen Jesu mit den Pharisäern und den Jüngern geht unmittelbar vorher eine kostbare Begegnung mit einem vom Aussatz Geheilten voraus (V. 15-19). Diese Begegnung wollen wir in die Betrachtung des Bildes mit einbeziehen:

Große Freude und Dankbarkeit treibt diesen Mann zurück zu dem, der ihn geheilt hat. Selbst das jüdische Gesetz ist in diesem Moment unwichtig. Er läuft, sucht, findet Jesus und fällt vor ihm auf die Knie, jubelnd zu Gott. Er hört Jesu Worte, die ihn darin vergewissern, dass sein Weg, Jesus zu suchen, um ihn anzubeten, der richtige ist. Er nimmt tief in sich auf, wie Jesus ihn auf seinen Glauben anspricht, und versteht allmählich, dass es um mehr geht als um einen gesunden Leib. Jesus selbst ist von dieser Begegnung tief berührt: Da ist einer, der den Glauben als eine Kraft erfährt, die ihn innerlich und äußerlich in Bewegung setzt; einer, der in ihm die Mitte seines Lebens gefunden hat.

Wir betrachten, wie Jesus mit seinen Jüngern weiter wandert, schweigend, nachsinnend über das, was gerade geschehen ist. Langsam wird es Abend, es wird kühler. Dort, wo sie ankommen, um eine Bleibe für die Nacht zu finden, treffen sie auf einige Pharisäer. Diese sprechen Jesus direkt auf das Zentrum seiner Verkündigung an. Sie sind ungeduldig, herausfordernd, drängend.

Jesus steht noch sehr lebendig die schöne Begegnung mit dem Glauben des geheilten Mannes vor Augen, während er ihnen sagt: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Ob sie verstehen werden, dass die Nähe der herbeigesehnten Herrschaft Gottes in der Begegnung mit Jesus selbst liegt? Oder werden sie sich unwillig, enttäuscht, von ihm abwenden? Werden es seine Jünger verstehen?

Ihnen offenbart er mehr: Den vor ihnen liegenden Heilsweg durch das Kreuz hindurch, durch Verfolgungen hindurch, bis das eintritt, was die Pharisäer jetzt herbeiwünschen. Werden die Jünger seine Ermahnung, sich nicht irreführen zu lassen, ernst nehmen? Werden sie diesen Weg begreifen und gehen können?

Zeit des Verstehens

Die Sehnsucht der Pharisäer und der Jünger, dass sich die Macht und Herrlichkeit Gottes sichtbar zeigen möge, ist unseren Gefühlen nicht fremd. Viele fromme Juden damals glaubten, durch genaues Einhalten der Gesetze das Reich Gottes schneller herbeiführen zu können. Der Aussätzige aber hatte umsonst und unverfügbar Heilung erfahren, sein erneuertes Leben war nicht mehr von frommer Gesetzesleistung bestimmt, sondern von Dankbarkeit erfüllt, die ihn umkehren ließ. Nur so konnte er erfahren, was auch uns gilt: Jesus Christus will uns Größeres schenken, als dass wir unser Leben nur besser „hinkriegen“: nämlich sich selbst. Das soll uns wieder neu und groß vor Augen stehen und uns in befreiendes Gotteslob führen.

In seiner Verkündigung vom Reich Gottes relativiert Jesus deutlich das geschöpfliche und somit vergängliche Leben (siehe zum Beispiel Lk 12,31-34), obwohl er sich den Leiden immer wieder barmherzig zuwendet. Die Beispiele in den Versen 26-30, mit denen Jesus seine Jünger dazu ermahnt, nicht das tägliche Sorgen um die Dinge der Welt (Ernährung, Familie und Arbeit) in den Mittelpunkt zu stellen, zeigen, dass wir darüber das Entscheidende verpassen können. Wir sind dann kaum gerüstet für Zeiten von äußeren Katastrophen oder inneren Zerbrüchen und stehen in der Gefahr, unser Heil überall zu suchen, nur nicht bei dem, der das Heil der Welt am Kreuz vollbracht hat.

Was bedeutet es nun, dass Jesus Christus die Mitte unseres Lebens ist? Abkehr von der Welt und Rückzug in die Innerlichkeit? Nein! Sich mit Jesus Christus im Glauben verbinden heißt, sich an sein Leben, seinen Opfertod und seine sieghafte Auferstehung zu binden. An Jesus können wir erkennen: Er hat ganz in der Welt gelebt, aber nicht, um sich an sie zu verlieren, sondern um sich für sie hinzugeben. Wo sich unser Leben ganz von der Begegnung mit Christus her entfaltet, kann es auch den Zusammenhang von Leiden und Herrlichkeit in seiner ganzen Spannung aufnehmen: Über dem Schönen dankbar zu werden und sich die Kraft schenken zulassen, auch das Schwere im Leben anzunehmen.

Zeit des Herzens

Wir nehmen unser Leben, unseren Alltag, aus der Begegnung mit Christus neu in den Blick: Wie wird für uns lebbar und auch für andere anschaulich, dass es Größeres gibt als die alltäglichen Lebensbewältigungsfragen? Wie können wir offener werden für das, was Christus uns schenken will, und von da her einen anderen Zugang zu nicht lösbaren Problemen bekommen?

Gerlinde Breithaupt

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