Foto: Traudl Priller

Zeit gegenwärtig zu werden

Die Bibelstelle aus dem Evangelium ist aufgeschlagen. Dort, wo ich beten möchte, stelle ich mich hin. Beginne mich aufzurichten aus einem guten Stand von den Füßen her, über die Wirbelsäule bis zum Kopf. Ich spüre dem nach – bis ich sagen kann: Ich bin da – bereit zu hören, zu begegnen.

In dieser äußeren und inneren Haltung lese ich mir langsam und hörbar vor, was Lukas erzählt. Ich lasse es nachklingen, wach für alles, was sich in mir regt.

Zeit zu schauen

Es wird gewiss unterschiedlich sein, wo jemand aufhorcht in diesem großen Text. Mir hat sich diese Wiederholung in den Weg gestellt: Er rette sich selbst – rette dich selbst – rette dich! Es ist als flögen diese Worte von Mund zu Mund. Bei den Oberen fängt es an, springt über zu den römischen Soldaten und wird noch einmal laut von dem Mitgekreuzigten, unmittelbar neben Jesus. Ob er der Christus, Gottes Auserwählter ist, würde sich erweisen, wenn er sich selbst rette – jetzt, wo nichts mehr zu retten ist. Trifft das nicht das Innerste, das Herz Jesu? Hatte er es doch als seinen Auftrag vom Vater verstanden, dass er gekommen ist „zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lk 19,10).

Jesus schweigt. Da reagiert der Mitgekreuzigte auf der anderen Seite und „herrschte ihn (den anderen Schächer) an und sagte: nicht einmal Gott fürchtest du?“ Ihm stellt sich die Sache anders dar und er sagt wer hier zu Recht und zu Unrecht hängt. Ist der Sprecher nicht selbst einer dieser Verlorenen? Und so wendet er sich an Jesus, spricht ihn mit Namen an: Jesus (d.h. „Gott rettet“), und bittet ihn „gedenke meiner, wenn du in dein Königtum kommst“ und bekommt zu hören „noch heute wirst du mit mir im Paradies sein“. Ist das der Trost Gottes, mit dem die beiden Männer in die Finsternis gehen?

Zeit zu verstehen

„Rette dich und uns“

Jesus ist in diesen Tod nicht unversehens hineingestolpert. Von Anfang an kannte er die Frage, wie es sich denn erweisen soll, wer er wirklich ist und wofür sein Leben steht. Direkt nach seiner Taufe und der Zusage aus dem Himmel „Du bist mein Sohn, der Geliebte“, gibt es diese Stimme „wenn du Gottes Sohn bist…“ und sie schlägt ihm Aufsehen erregende mirakulöse Zeichen der Bestätigung vor. Jesus weist sie zurück. Er geht Schritte auf einem Menschenweg, anstatt mit einem Sprung von der Tempelzinne (vermeintlich) alles klarzustellen. Er lässt sich darauf ein, täglich neu, von Situation zu Situation zu suchen, zu entdecken, was sich ihm in der Freundschaft zu Gott und dem Menschen an seiner Seite, nahelegt. In Gethsemane steht die Frage auf, ob Jesu Leben doch in die Irre geht, sich verliert. Ja sogar ob Gott mit der Welt wirklich so, und nur so, ans Ziel kommt?

Jesus hat, bis ins Innerste erschüttert und angefochten, vor und mit Gott um diese Entscheidung gerungen. Hat er sich erinnert, dass er den Freunden einmal sagte: „Wer sein Leben retten will, wird es zugrunde richten?“ (Lk 9) Er hat es gewagt, seine Hingabe an diese – ihn nun so verwirrend herausfordernde – Liebe Gottes, nicht zurück zu nehmen.

„Jesus, gedenke meiner“

Ein Mensch, der mit seinem Leben in die Irre gegangen ist, bittet um Gedenken. Wahrscheinlich sind da etliche, die ihn nicht vergessen werden, weil er ihnen Leid und Schaden zugefügt hat.
Wonach er sich sehnt und was er jetzt ausspricht ist mehr, als das was sich im Gedächtnis als erinnern und vergessen abspielt. Er sieht sich am Kreuz Seite an Seite mit einem, von dessen Leben er glaubt, dass es nicht im Tod versunken bleibt. Er sieht ihn auf sein Königtum zugehen. In dessen Gedenken könnte er sich bergen. Und die Antwort übertrifft seine Bitte. Oder ist es eher so, dass die Bitte in ihrer Tiefe erhört wird? Nicht nur an ihn denken wird Jesus. „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Er wird mit Jesus sein.

Zeit des Herzens

Prüfen, ob auch ich mich und mein Leben bergen möchte, in Jesu Gedenken. Vielleicht hilft mir ein Gesang aus Taize, um zu beten: „Jesus remember me, when you come into your kingdom.“

Traudl Priller

Als PDF herunterladen

Anstehende Veranstaltungen