Auf dem Weg zum Text

Paulus‘ „Briefe sind stark, aber wenn er selbst anwesend ist, ist er schwach und seine Rede kläglich“ (2. Kor. 10, 10). Die Christen in Korinth reiben sich an der Diskrepanz zwischen den glanzvollen Briefen, die Paulus ihnen schreibt, und seinem unscheinbaren Auftreten. Was ist das Evangelium wert, wenn es so „schlecht“ dargestellt wird.

Zeit, in die Gegenwart Gottes zu kommen

Wir denken an ein Paket. Von außen sieht es unscheinbar aus: unbeholfen eingepackt in schlechtem Papier und zerdrückt und leicht schmutzig vom Transport. Aber wenn wir es öffnen, enthält es ein Geschenk, das uns von Herzen froh macht. Wenn wir uns zur Stille hinsetzen, befällt uns vielleicht Unkonzentriertheit. Unerledigtes, manche Sorgen und Probleme fallen uns ein. Doch halt: vielleicht ist da auch Vorfreude auf ein großes Herzensgeschenk, das Gott uns mit diesem Text machen möchte. Wir lassen uns Zeit, uns darauf einzulassen.

Zeit des Schauens

Paulus hat in der Bibel eindrucksvolle Spuren hinterlassen. Er schrieb brilliante Briefe, die auch in Korinth Eindruck gemacht hatten. Doch der Mensch Paulus war anders: Weder konnte er besonders gut reden, noch wirkte er als Person imposant. Die Korinther merkten dies schnell und kritisierten ihn heftig.

Wir stellen uns vor, wie Paulus das Evangelium in Korinth predigte (vergl. Apg. 18). Mit einfacher Sprache, nicht „mit hohen Worten und hoher Weisheit“, mit Schwachheit, Furcht und Zittern. Nicht mit rhetorischen Tricks und ohne überragende Gedankengebäude.

Trotzdem war etwas überzeugend an Paulus und an der Botschaft von Jesus. Dem gehen wir betrachtend nach. Die Menschen spüren: Hier ist jemand ganz durchdrungen von einer großen Liebe, die sein Leben umgekrempelt hat, von einer geheimnisvollen Botschaft: Jesus, Sohn Gottes, der Gekreuzigte.

Weiter stellen wir uns die Menschen vor, zu denen Paulus sprach. Viele gingen weg, sie kannten bessere Redner. Einige hielten inne, öffneten ihre Herzen, wurden erfüllt von der Botschaft und blieben – die christliche Gemeinde von Korinth. Von ihnen redet Paulus als von „den Vollkommenen“ (V. 6).

Zeit des Verstehens und Zeit des Herzens

1. Ein Geheimnis – kein Rätsel

Paulus drückt die Botschaft des Evangeliums – in Worten und Briefen – einprägsam aus: „Jesus Christus als den Gekreuzigten“ – das allein „weiß“ er unter den Korinthern. Was wissen wir in unserem Herzen von Christus? Was ist der Kern?

Wir versuchen, einen Satz aufzuschreiben, der dies ausdrückt.

2. Verzicht auf schöne Verpackung

Unsere marketingorientierte Gesellschaft suggeriert uns, dass es auf Präsentation und Außenwirkung ankommt. Das wirkt bis in Nachdenken über unsere Kirche hinein: Wie kann sie sich besser „verkaufen“? Dieses Denken ist verführerisch. Wie passt es aber zusammen mit dem Leben Jesu, die die Konkurrenz mit den „Promis“ dieser Welt nicht aufgenommen hat?

Auch Paulus entscheidet sich anders. Schwachheit, Furcht und Zittern, für die er wahrscheinlich nichts konnte, bringen den Kern des Evangeliums zutage: Nicht Menschenweisheit, sondern Gotteskraft. Dass dies nicht besonders publikumswirksam ist, ist kein Webfehler, sondern zeigt das Wesen der Liebe Gottes: Er offenbart seine Liebe ohne großartige Außenwirkung dem Herz, das ihn liebt.

Bei der nächsten Vorbereitung darauf, einen Bibeltext auszulegen, konzentrieren wir uns mit aller Kraft auf den Kern und Inhalt des Textes. Wir verzichten auf kreative Präsentationsideen und verbale Knalleffekte. Welche Erfahrungen machen wir damit?

Ulrike Wandtke, Communität Koinonia Heidelberg: IT-Beraterin und leidenschaftliche Mitarbeiterin in der der ev. Christus-Luther-Markusgemeinde Heidelberg

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