Foto: Michael Fendler

Wem traue ich zu, ein offenes Ohr für mich zu haben, ohne mir gut gemeinte Ratschläge zu geben? Zu wem gehe ich, um ihm meine größten Geheimnisse anzuvertrauen oder dass, was mir Not macht; was mich schlaflos macht; was mir Angst macht? Wem vertraue ich in der größten Not?

Manche Menschen haben so jemanden. Andere haben niemanden, dem sie sich anvertrauen können, vor dem sie ihr Herz öffnen. Denn Angst, sich zu offenbaren bedeutet in unserer Gesellschaft, Schwäche zu zeigen. Und dann kommt noch der eigene Anspruch dazu: Ich muß doch stark sein für mich, für den Partner oder die Partnerin, für die Kinder, für die Familie.

Die Bibel erzählt uns, dass Jesus einmal in große innere Not gekommen ist. Er hatte Todesangst. Im Garten Gethsemane hat Jesus versucht, seine Not mit seinen engsten Freunden zu teilen. Doch er sagt ihnen nicht direkt, um was es geht. Er deutet es lediglich an. Ganz öffnen mag er sich anscheinend nicht. Seine Jünger verstehen ihn nicht. Und stand da nicht der starke und souveräne Jesus vor ihnen? So konnten sie vielleicht auch nicht glauben, dass jemand wie er tatsächlich ihr Zuhören, ihr Gebet braucht, dass sie mit ihm die schwere Zeit durchstehen. Ich stelle mir diese Szene vor, die Nacht in dem Garten mit Olivenbäumen. Betrachte ich die Szene eher von außen oder finde ich mich in der Rolle einer der Jünger wieder? Oder erinnert mich das gar an eine selbst erlebte Angstsituation, in der ich mich unverstanden gefühlt habe?

Was ist für mich eigentlich ein guter Freund, eine gute Freundin? Ist es mir selbst schon mal passiert, dass jemand meine Unterstützung und meine Fürbitte gesucht hat und ich nicht gemerkt habe, wie wichtig es ihm oder ihr war? Wie kam das?

Gott wurde Mensch in Jesus Christus, damit wir sehen können: Er kennt Einsamkeit, Todesangst, Gottesferne, das Gefühl: Keiner versteht mich. Jesus erlebt in dieser Nacht im Garten Gethsemane: Gott versteht mich. Auch das, was für mich so intim ist, dass ich es mit keinem Menschen teilen kann oder will. Was Jesus hier im Gespräch mit Gott erlebt, können seine Freunde ihm nicht geben.

Jesus findet Kraft und Mut bei Gott, seinem himmlischen Vater. Er ist sein engster Vertrauter, er versteht den betenden und verzweifelten Jesus auch ohne viele Worte. Wie ist das bei mir? Habe ich schon mal erlebt, dass ich neue Ruhe und Frieden und Hoffnung gefunden habe nachdem ich bei Gott war, nachdem ich das, was mir Angst macht, mit ihm geteilt habe?

Jesus hat mehrere Anläufe gebraucht, ehe er Gottes Hoffnungskraft gespürt hat und sein Zutrauen gewachsen ist, dass er seinen Weg bewältigen wird. Auch für uns ist die Welt oft nicht gleich anders oder alles wieder in Ordnung, nachdem wir gebetet haben. Jesus brauchte Geduld und einen langen Atem, eine ganze Nacht lang. Manchmal ist Gebet Ausharren und Warten auf eine Berührung von Gott, darauf, dass wir glauben können, dass Gottes Zusagen auch für mich gelten: „Wenn du mich suchst, will ich mich von dir finden lassen“ (Jer.29) und „Ich bin bei dir bis ans Ende der Welt“ (Mt.28).

Wenn du jetzt das Bedürfnis hast zu beten, können dir diese Worte vielleicht helfen:

Herr, ich komme zu dir, und ich steh vor dir so wie ich bin.
Alles, was mich bewegt, lege ich vor dich hin.
Herr, ich komme zu dir, und ich schütte mein Herz bei dir aus.
Was mich hindert ganz bei dir zu sein, räume aus!
Meine Sorgen sind dir nicht verborgen, du wirst sorgen für mich.
Voll Vertrauen will ich auf dich schauen. Herr, ich baue auf dich!
Gib mir ein neues, ungeteiltes Herz.
Lege ein neues Lied in meinen Mund.
Fülle mich neu mit deinem Geist
denn du bewirkst dein Lob in mir.
(„Herr ich komme zu dir“ aus: Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder, Anhang zum Gesangbuch der Evangelischen Landeskirche in Baden, München 2018)

Angelika Schmidt
Mitglied der Communität Koinonia und Pfarrerin in der Landeskirche Baden

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